OVE : Ist die Zukunft der Mobilität elektrisch?
Ist der öffentliche Verkehr im Bereich der Bahnen längst schon elektrisch, ist in den letzten Jahren auch die Elektrifizierung des Individualverkehrs stetig vorangeschritten. Neben dem boomenden Verkauf von Elektromobilen im Zweiradsektor steigt auch das Angebot bei E-Autos laufend.
Welche politischen Rahmenbedingungen ebenso wie technische bzw. Infrastruktur-Maßnahmen sind erforderlich, um die Elektrifizierung unserer individuellen Mobilität zu erhöhen? Welche Herausforderungen stellen sich bezüglich Ladeinfrastruktur, Speichermöglichkeiten und auch bei der Integration in das Stromnetz? Und welche generelle Bedeutung wird die Elektromobilität für Österreich in Zukunft haben?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im OVE, die am 24. und 25. November 2016 in Villach stattfindet. Antworten darauf liefern hochkarätige Vertreter/innen aus Energiewirtschaft, Industrie, Wissenschaft und der Behörde.
„Die ambitionierten Klimaziele werden in Europa nur zu erreichen sein, wenn auch im Verkehrsbereich ein verstärkter Umstieg auf elektrische Energie vorangetrieben wird. Absolute Grundvoraussetzung dafür ist – neben der entsprechenden Technologie und der Ladeinfrastruktur – ein gut ausgebautes und leistungsfähiges Stromnetz“, betont Dr. Franz Hofbauer, Präsident des OVE Österreicher Verband für Elektrotechnik und Prokurist der APG Austrian Power Grid. „Im Netzentwicklungsplan (NEP) der APG ist die Weiterentwicklung der E-Mobilität wichtiger Teil der energiewirtschaftlichen Szenarien, die wir zugrunde legen. Der NEP sieht notwendige Netzinvestitionen von rund 2 Mrd. Euro in den kommenden zehn Jahren vor, um die nötige Leistungsfähigkeit und Smartness in unserem Netz und damit auch eine Weiterentwicklung der E-Mobilität zu ermöglichen“.
„Die Zukunft der Mobilität wird zweifelsohne einen starken Anteil an elektrisch betriebenen Fahrzeugen bringen. Bereits heute ist dieser stark im Steigen. Der Blick auf die Zulassungszahlen von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen zeigt hier nicht alles“, ergänzt Dipl.-Ing. Oliver Schmerold, Verbandsdirektor des ÖAMTC. „Praktisch jedes moderne Fahrzeug verfügt über einen hohen Elektrifizierungsgrad. Start-Stopp-Systeme, Mild-Hybride und die generelle Umstellung auf 48-Volt-Bordsysteme bringen den elektrischen Antrieb in die Automobilwelt. Die Flotten-Emissionsziele in Europa sind mit 95g/km CO2 für 2020 so ambitioniert, dass alle Hersteller ihr Portfolio dahingehend verändern. Nur wird es auf absehbare Zeit keine rein elektrische Mobilität sein, die technologischen Anstrengungen im Benzin- und Dieselantrieb müssen weitergehen, um Mobilität für alle leistbar und nutzbar zu halten und trotzdem diese Ziele zu erreichen“, ist Schmerold überzeugt. Eine hohe Priorität müsse sowohl auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur gelegt werden als auch auf eine Versorgung mit Wasserstoff-Tankstellen. Denn der Brennstoffzellenantrieb ist eine wichtige Ergänzung im künftigen Mobilitätsmix.
„Die schrittweise Umstellung auf Elektromobilität wird in den nächsten Jahren erheblich zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen. Deshalb hat sich z. B. die deutsche Bundesregierung zum Ziel gesetzt, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen. Auch in Österreich werden bis dahin geschätzte 200.000 E-Mobile angemeldet sein. Weil aber Elektroautos ihren Energiebedarf aus dem Stromnetz beziehen, müssen die Stromnetze auf deren Aufnahmefähigkeit untersucht und geplant werden“, erläutert Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Hribernik, AIT Austrian Institute of Technology. “Das Wechselspiel zwischen Netz und Fahrzeug verursacht aber nicht nur Probleme, sondern bietet auch die Gelegenheit, die Potentiale von Elektromobilität und intelligenten Stromnetzen zu verbinden. Das Elektroauto an sich hat einen bedeutenden Energiebedarf, was bei einer großen Zahl an Fahrzeugen für die Stromnetze in ihrem jetzigen Zustand zu lokalen Herausforderungen führen kann“, so der Leiter des Bereichs Electric Energy Systems am AIT-Energy Department. Um die Netze für den steigenden Stromverbrauch bei gleichzeitig wachsender Anzahl dezentraler Versorgungsanlagen fit zu machen, müssen sie in „Smart Grids“ verwandelt werden. Intelligente Stromnetze ermöglichen nämlich eine laufende Abstimmung zwischen Energieerzeugern, -verbrauchern und -speichern und garantieren damit Versorgungssicherheit.
Der Einsatz von Elektromobilität macht gerade dann viel Sinn, wenn der dafür verwendete Strom aus regenerativen Quellen gewonnen wird. „Speziell in Österreich sind die Voraussetzungen für diese Entwicklung optimal gegeben. Wir haben einen extrem hohen Anteil an erneuerbaren Energien. Diese zu nutzen und die Emissionen des Verkehrs durch die Elektromobilität zu senken, ist eine Ausgangssituation, um welche uns viele Länder beneiden“, betont VVors. Ing. Franz Chalupecky, ABB AG, und führt weiter aus: „Ziel muss sein, auch von politischer Seite die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass eine Umsetzung im Sinne unseres Klimas ehestmöglich realisiert werden kann. Dazu ist es dringend notwendig, die erforderliche Infrastruktur hinsichtlich der Ladestationen ehestmöglich zu errichten bzw. deren Einrichtung als, Focus-Projekt‘ zu definieren.“
Kärntens Energiedienstleister Kelag hat bereits in den letzten Jahren gezeigt, dass Elektromobilität für das südlichste Bundesland von großer Bedeutung ist. „Die Kelag hat in den vergangenen acht Jahren in Kärnten Pionierarbeit geleistet und aktiv an der Entwicklung der Elektromobilität in unserem Bundesland gearbeitet. In dieser Zeitspanne wurde ein flächendeckendes und leistungsfähiges E-Tankstellen-Netz aufgebaut, mit dem derzeit an 75 Standorten 180 Ladepunkte für E-Autos betrieben werden. In Villach wurde im vergangenen Jahr gemeinsam mit Tesla die größte E-Tankstelle Österreichs mit einer gleichzeitig verfügbaren Ladeleistung von 830 kW eröffnet. Parallel dazu wurde mit dem ,E-Tankstellen-Finder‘ eine innovative Online-Lösung für E-Autofahrer gestaltet, die mittlerweile mehr als 8.500 Ladestandorte in 14 europäischen Ländern ausweist“, fasst Dipl.-Ing. Dr. Michael Marketz, Kelag, zusammen und führt weiter aus: „Gegenwärtig vollzieht sich in der E-Mobilität der Übergang von der Entwicklungs- zur Akzeptanzphase, die sich durch gestiegene gesellschaftliche Relevanz, im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes, und zusätzliche Förderanreize auszeichnet sowie durch Innovationen im Technologiebereich, die unter anderem zu größeren Reichweiten der Fahrzeuge führen. Auch für diesen Entwicklungszyklus ist die Kelag gerüstet, da die E-Mobilität einen wichtigen Baustein in der Veränderung des Unternehmens hin zu einem erfolgreichen, grünen, innovativen und digitalen Full-Service-Energiedienstleister darstellt.“
Dipl.-Ing. Johannes Vavra, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im OVE, resümierend: „Ob die Zukunft der Mobilität elektrisch sein wird, ist eine weiterführende Fragestellung, die sich beispielsweise aus den Beschlüssen der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (COP 21) ableiten lässt, muss doch ein Verzicht auf fossile Brennstoffe zwangsläufig zu einem solchen Ergebnis führen. Demgemäß wird sich die Fachtagung einer Vielzahl von Gesichtspunkten widmen und vor allem eine Reihe möglicher Antworten und Lösungsansätze für die Elektromobilität präsentieren. Die inhaltliche Bandbreite erstreckt sich dabei von einer politischen Betrachtung der Bedeutung von Elektromobilität für Österreich, der Sichtweise der Regulierungsbehörde zur Elektromobilität, der technischen Rolle von Mobilität im zukünftigen Energiesystem bis zu Mobilitätskonzepten für Bahnen und urbane Räume, schließlich zu Fragen der Netz- und Systemintegration von Elektromobilität sowie Entwicklungen und Trends in der Ladeinfrastruktur und bei Fahrzeugbatterien. Insgesamt gilt es, dem Anspruch einer Fachtagung zu genügen und daher auch konkrete Antworten in Form von Konzepten oder bereits realisierten organisatorischen und technischen Lösungen zu bieten.“