Fachausschuss : Die Zukunft ist elektrisch

Nach der Übernahme der Agenden von Alexander Rupp bat ELEKTROPRAXIS Karl Sagmeister zum Interview in seiner Funktion als Vorsitzender des Fachausschusses Elektroinstallationstechnik. Dabei klärt er auf, warum "interimistisch" in diesem Fall nicht wörtlich zu verstehen ist, welche Verantwortung die Branche als Teil der "kritischen Infrastruktur" trägt und was er durch sein Studium in den USA über gesellschaftliche Verantwortung gelernt hat. Im entsprechenden Gremium arbeitet Sagmeister, wie schon sein Vorgänger, end mit Wirtschaftskammer-Mitarbeiterin Bianca Dvorak zusammen - daher geht die erste Frage auch an sie.

Elektropraxis: Alexander Rupp hat sich bei seinem Abgang mehrfach für Ihre Unterstützung bedankt, Frau Dvorak. Daher die erste Frage an Sie: Was konnte in den vergangenen Jahren umgesetzt werden?

Bianca Dvorak: Ich betreue den Fachausschuss Elektroinstallationstechnik seit knapp acht Jahren, in dieser Zeit wurde viel umgesetzt. Alexander Rupp hat es geschafft, eine enge Zusammenarbeit innerhalb des Fachausschusses Elektroinstallationstechnik anzuregen, sodass alle an einem Strang ziehen. Eine Herangehensweise, die Karl Sagmeister in seinen ersten Monaten so fortgesetzt hat. Eingeleitet wurde auch die stärkere Kooperation entlang der Wertschöpfungskette. Ergebnisse sind die Plattform Elektro und der Planerfachtag als wichtige Projekte, die für mehr Zusammenhalt innerhalb der Branche sorgen.

Gleichstellung mit anderen primären Energieformen

Welche konkreten Anliegen wurden im Zuge dessen umgesetzt?

Karl Sagmeister: Ein Thema, das uns seit Jahren beschäftigt, ist die Gleichstellung des Stroms mit anderen Energieformen in der OIB-Richtlinie 6. Da gibt es massive Defizite in den Entwürfen, weshalb wir uns entlang der Wertschöpfungskette zusammengesetzt und Positionspapiere erarbeitet haben, die über die Wirtschaftskammer und den Fachverband transportiert wurden. So konnten in einem gemeinsamen Kraftakt wichtige Korrekturen erzielt werden.

Dennoch ist in der OIB-Richtlinie noch eine extreme Ungleichbehandlung festzustellen. Gerade die elektrische Energie als saubere Energie der Zukunft wird gegenüber anderen primären Energieformen abgewertet. Daher werde ich gemeinsam mit dem Fachausschuss weiter daran arbeiten, auch durch Kooperationen mit dem OVE.

Wo kann man ansetzen?

Sagmeister: Wir müssen klarmachen, dass die CO2-Ziele des Bundes unmöglich halten, wenn man in den Ländern solche Richtlinien umsetzt. In den kommenden Jahrzehnten würden dadurch Gebäude gebaut, die die Potenziale für eine CO2-Reduktion nicht nutzen. Dank unserer sehr aktiven Landesinnungsmeister haben wir hier eine Kooperation der Willigen, mit der sich viel gestalten lässt.

Zurzeit sind Sie interimistischer Vorsitzender des Fachausschusses. Wie ist das zu verstehen?

Dvorak: Wenn ich hier einhaken darf: Der Zusatz „interimistisch“ ist den Statuten geschuldet, da wir Corona-bedingt keine Präsenzsitzung abhalten konnten. Herr Sagmeister und sein Team wurden bei einer Online-Sitzung des Fachausschusses einstimmig gewählt, was vom Bundesgremialausschuss ebenfalls einstimmig bestätigt wurde. Die offizielle Wahl als Formalakt holen wir nach, sobald dies möglich ist.

Herausforderungen Corona, Digitalisierung und Klimawandel

Als Country Manager von Schneider Electric sind Sie gut beschäftigt. Was hat Sie bewogen, sich im Fachausschuss zu engagieren?

Sagmeister: Der Wille, etwas zu bewegen. Die Corona-Krise war für mich sogar ein zusätzlicher Motivator: Jede Krise lässt sich managen, wenn man sich den Herausforderungen stellt und entsprechend schnell reagiert.

Wobei sich die Herausforderungen unserer Branche durch Corona gar nicht so sehr verändert haben. Natürlich mussten wir dazulernen, Schutzmaßnahmen vorsehen und Prozesse neu aufstellen, aber letztlich muss der Strom fließen. Im Vergleich zu Tourismus und Handel waren wir im vergangenen Jahr ein Stück weit privilegiert.

Welches Stimmungsbild konnten Sie bislang bei den Mitgliedern auffangen?

Sagmeister: Das letzte Jahr war eine Achterbahnfahrt, die mit dem ersten Lockdown begann. Kurzfristig herrschte Schockstarre. Da erkannten wir als Branche, dass wir zur kritischen Infrastruktur zählen und nahmen diese Verantwortung im positiven Sinne wahr. Wichtig war es, den Mitarbeitern Sicherheit zu geben, ihnen Ängste zu nehmen und sie zu unterstützen bei ihrer Tätigkeit außer Haus.

Im Sommer blühte die Branche auf. Die Baustellen liefen gut, und auch der Frühherbst war gekennzeichnet von positiven Geschäftszahlen – von den Elektrikern über den Großhandel bis zur Industrie. Ende September/Anfang Oktober zeichnete sich dann ab, dass die zweite Renovierungswelle in Gastronomie- und Tourismusbetrieben ausbleiben würde. Der Tiefpunkt war der zweite Lockdown Mitte November. Die Investitionsförderung und die geplanten Projekte ließen auf ein Durchstarten danach hoffen. Was folgte, war ein dritter Lockdown.

Nichtsdestotrotz bleiben die grundlegenden Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung und des Klimawandels bestehen. Die Digitalisierung hat sich durch Covid-19 ja sogar beschleunigt. Bei Schneider Electric sehen wir das im Bereich der Datencenter. Ich nenne hier nur Stichworte wie Streaming, 5G, Elektromobilität, autonomes Fahren und Industrie 4.0. Das ist unaufhaltsam.

Zukunft Elektropraktiker

Wie gehen Sie den Fachkräftemangel an?

Sagmeister: Dass der Fachkräftemangel drängender wird, hat sich mit dem EAG-Gesetz, der Photovoltaik-Initiative, aber auch mit der wachsenden Elektromobilität angekündigt. Vor knapp zwei Jahren haben wir uns daher zusammensetzt und eine Initiative gemeinsam mit der Wertschöpfungskette angestoßen, die nun umgesetzt wird: Elektropraktiker.at.

Als Bundesinnungsmeister hält Andreas Wirth hier das Heft in der Hand. Wir unterstützen ihn seitens der Industrie und des Großhandels dabei, soweit es geht. Mittlerweile laufen die ersten Pilotprojekte. Konkret geht es um eine Umschulung von Mitarbeitern anderer Gewerke für die Elektrotechnik in Kooperation mit dem AMS. In den Betrieben können diese Mitarbeiter bei der Montage von PV-Anlagen oder Ladestationen eingesetzt werden. Wir als Industrie sind finanziell und inhaltlich involviert, wobei die inhaltliche Führung der Ausbildung ganz klar beim Kuratorium für Elektrotechnik liegt.

Ziel sind bis zu 2.000 neue Fachkräfte bis zum nächsten Jahr, wobei das Programm kein Ablaufdatum hat. In einer begleitenden Marketingkampagne wollen wir potenzielle Elektropraktiker mobilisieren. Was wir dabei vermitteln wollen: Die Branche hat Jobs anzubieten, die Sinn machen und wesentlich zu einer positiven Entwicklung bzw. zum Klimaschutz beitragen. Die Website wird gerade programmiert. Wir werden auch stark in Social Media präsent sein.

Als zweiten Tätigkeitsschwerpunkt haben Sie Digitalisierung definiert. Was ist hier geplant?

Sagmeister: Wir haben das Thema in zwei Bereiche gegliedert. Der erste Themenkreis: die Digitalisierung nach innen, also innerhalb der Branche und der Industrie. Was heißt das für die internen Prozesse, den Vertrieb und die Kommunikation mit Kunden bzw. innerhalb der Wertschöpfungskette? Stichwort: BIM.

Der zweite Themenkreis: die Digitalisierung nach außen. Als Beispiel sei der Smart Readiness-Indikator für Gebäude genannt. Je intelligenter Gebäude sind, umso effizienter können wir sie betreiben. Da geht es auch um Bewusstseinsbildung und um Vermittlung technologischer Grundlagen. Ich bemerke oft, dass vielen nicht klar ist, was ein Energiemanagementsystem zur Energieeinsparung beitragen kann.

Wie geht es mit den Veranstaltungsplattformen weiter?

Sagmeister: Wir sind in intensiven Gesprächen mit der Reed Messe. Die Frage ist, wie die Digitalisierung in künftige Begegnungskonzepte einzubinden ist. Die Meinungen zu den Power Days als Branchenmesse sind je nach Ansprechpartner natürlich unterschiedlich. Wichtig ist es jetzt, sich anzuhören, was genau die Kunden, also die Elektrotechniker und Planer, wollen.

Was kann am Ende dabei herauskommen?

Sagmeister: Theoretisch vieles – von einer voll digitalen Veranstaltung über ein Hybridkonzept bis zu einer Präsenzmesse. Persönlich bin ich der Meinung, dass es nach der Corona-Krise eine massive Bewegung zu einer echten Messe geben wird. Die Menschen wollen soziale Nähe, sie wollen Produkte angreifen und sich – vielleicht bei einem Glas Wein – austauschen.

Geschäftsmodelle identifizieren

Sie sind ein Verfechter von Kooperationen. Lässt sich die Zusammenarbeit weiter ausbauen?

Sagmeister: Wir werden noch mehr die Nähe zum OVE suchen, hier gibt es eine große Schnittmenge an Interessen. Und wir möchten mit Oesterreichs Energie stärker zusammenarbeiten, um die Energiewende gemeinsam zu gestalten und bestehende Hürden zu überwinden. Letztlich wollen wir uns aber auch für andere Branchen öffnen, um Best Practices und Geschäftsmodelle zu identifizieren.

Sie haben mehrfach die OIB angesprochen. Wo gibt’s noch Lobbying-Bedarf?

Sagmeister: An EAG und Klimastrategie muss man dranbleiben. Diesbezüglich findet ein regelmäßiger Austausch mit Bundesinnungsmeister Andreas Wirth sowie mit dem Fachausschuss-Vorsitzenden J. Robert Pfarrwaller statt. Den guten Austausch innerhalb der Gremien möchte ich daher betonen. Die Herausforderungen sind sehr groß. Die Zukunft ist elektrisch. Den Weg dorthin können wir nur gemeinsam beschreiten.

Sie sind darüber hinaus im FEEI tätig. Haben Sie einen Hang zu ehrenamtlichem Engagement?

Sagmeister: Das habe ich aus meinem Studium unter anderem auch in den USA mitgenommen. Dort ist es selbstverständlich, dass man als Absolvent einer Universität der Gesellschaft etwas zurückgibt. In Gremien wie dem FEEI oder dem Fachausschuss trifft man auf Menschen, die etwas bewegen möchten. Dadurch entsteht eine positive Dynamik, die inspiriert.

Schneider Electric-Geschäftsführer Karl Sagmeister engagiert sich in seiner ehrenamtlichen Funktion als Vorsitzender des Fachausschusses Elektroinstallationstechnik für mehr Zusammenhalt in der Branche.

"Die Gleichstellung des Stroms mit anderen Energieformen in der OIB-Richtlinie 6 beschäftigt uns seit Jahren. Da gibt es massive Defizite in den Entwürfen."

Karl Sagmeister über einen seiner künftigen Arbeitsschwerpunkte.

- © Preinerstorfer Gerd

"Der interimistische Vorsitz ist Corona und den Statuten geschuldet. Die offizielle Wahl als Formalakt wird nachgeholt."

Bianca Dvorak, WKO