Hochtemperaturwärmespeicher : Interview mit Markus Haider von der TU Wien

technik report: Woran forschen Sie hier an der TU? Es hat ja neulich im Labor gebrannt – hatte das mit Ihrer Arbeit zu tun?

Markus Haider: Ja, leider – wir arbeiten an Energiespeicherung. Unser Kernthema ist die Hochtemperaturwärmespeicherung. Mit thermodynamischen Konzepten kann Strom in Wärme eingespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückgespeichert werden – vor allem in solarthermischen Kraftwerken, in der adiabaten Druckluftspeicherung oder auch bei Elektroöfen. In diesem Zusammenhang entwickeln wir einen innovativen Sandwärmespeicher für Hochtemperaturwärme. Ebenso arbeiten wir an Phasenwechselspeichern – also Schmelzen und Erstarren von Salz, sowie an thermochemischen Speichern.

Schwimmende Plattformen mit Photovoltaik und adiabater Druckluftspeicherung könnten auf Inseln wie Malta oder Zypern zum Einsatz kommen - © TU Wien

Bei Letzterem wird in chemischen Substanzen wie z.B. Magnesiumoxyd Wasserdampf ein- und ausgespeichert. So kann Energie über einen langen Zeitraum gespeichert und sogar transportiert werden. Für all diese Forschungsprojekte braucht man einen flexiblen Versuchsstand. Das Kernstück unserer Anlage ist eine Thermoölanlage. Durch einen Elektroerhitzer wird Öl auf bis zu 390 Grad aufgewärmt und diese Hitze dann durch einen Wirbelschichtwärmetauscher in Sand eingespeichert. Der heiße Sand wird in einem isolierten Bunker gelagert.

Konzept einer pneumatisch gelagerten Heliofloat-Einzelplattform zur Stromerzeugung und/oder Meerwasserentsalzung - © TU Wien

Am Ende der Speicherdauer, z.B. ein bis zwei Tage später, wird beim Ausspeichern kaltes Öl vom Sand wieder erhitzt. Der Prüfstand erlaubt somit flexibles Ein- und Ausspeichern von Hochtemperaturwärme. Leider hat es am Elektroerhitzer einen Bauteilschaden gegeben, wodurch sich das Öl entzündet und zum Brand geführt hat.

Wie könnte diese Technologie im industriellen Maßstab genutzt werden?

Zum Beispiel mittels adiabater Druckluftspeicherung. Dabei wird überschüssige Energie teils als Wärme gespeichert und teils in Druckluft umgewandelt, die man in einen Hohlraum oder einen flexiblen Balg, der unter Wasser fixiert ist, presst. Die Druckenergie kann man später über den Sandwärmespeicher leiten, die Luft auf 500 bis 600 Grad aufwärmen und damit eine Turbine antreiben. Die adiabate Druckluftspeicherung ist derzeit die zweitbeste Technologie zur Stromspeicherung. Das Beste sind nach wie vor die Pumpspeicher, für die es aber nur begrenzte Anwendungsmöglichkeiten gibt.

Wo sehen Sie denn die größten Herausforderungen für die Energiewirtschaft in technischer und gesellschaftlicher Hinsicht?

Es gibt nur Herausforderungen! Alles bewegt sich, aber in einigen Belangen leider nicht in die richtige Richtung. Es ist auch schwer abschätzbar, wohin die Reise geht, weil sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ununterbrochen ändern. Vor fünf Jahren stand noch die unterirdische Speicherung von CO2 im Mittelpunkt. Dieser Ansatz wird zwar in Amerika und China noch weiter verfolgt, in Europa spielt das derzeit aber eine untergeordnete Rolle. Hauptthema sind heute die erneuerbaren Energietechniken. Das ist sicher wichtig und auch langfristig das Nachhaltigste. Man kann sich aber im Nachhinein fragen, ob das Verhältnis von Marktsubvention zu Forschungsförderung richtig gewählt war. Markus Haider ist Vorstand des Instituts für ­Thermodynamik und Energiewandlung an der TU Wien – das Kernthema seiner Forschung ist die Hochtemperaturwärmespeicherung Bild: TU Wien Im Endeffekt hat man jedenfalls eine Situation geschaffen, bei der zu höheren Kosten mehr CO2 produziert, und zugleich der Wert bestehender Infrastruktur zerstört wird. Ob das wirklich die richtige Richtung ist, bleibt zu diskutieren. Aktuell ist jedenfalls eine sehr spannende Zeit, wenn man in der Energieforschung tätig ist, weil man nicht weiß, in welche Richtung es geht. Ein Beispiel: In den USA wird derzeit die Kohle durch massive Förderung von Schiefergas mittels „Fracking" vom Markt gedrängt. Kohle aus Übersee ist deshalb in Europa sehr billig und macht nun ihrerseits dem Erdgas Konkurrenz. Inzwischen lassen sich Gaskraftwerke in Europa nicht mehr wirtschaftlich betreiben, da der Strompreis zufolge des Marktmodells und der Subventionierung der erneuerbaren Energien niedrig ist, und das Verhältnis von Gaspreis zu Kohlepreis gegen Erdgas spricht.

Noch vor zwei bis drei Jahren war die einhellige Meinung in der Branche, dass Erdgas als CO2 - ärmste fossile Energie die am sinnvollsten weiterzuentwickelnde Energieinfrastruktur ist, zusammen mit einem vernünftigen Ausbau der Erneuerbaren. Diese Strategie wackelt nun, da die billige Kohle das Erdgas vom Markt zu verdrängen droht. Dabei spielt auch der Emissionshandel eine Rolle. Der CO2 -Preis ist derartig im Keller, dass das ganze System seine Wirkung und damit seinen Sinn verloren hat. Um einen Lenkungseffekt zu erzielen, müsste der CO2 - Preis wesentlich höher sein.

Was wird bei der Energieerzeugung und -speicherung in Zukunft noch mehr Bedeutung erlangen?

Windkraft und Sonnenenergie, und hier nicht nur Photovoltaik sondern auch solarthermische Kraftwerke. Diese Form der solaren Stromerzeugung hat gegenüber der Photovoltaik den Vorteil, dass die Sonnenenergie mittels Hochtemperaturwärmespeicher zwischenspeicherbar ist, mit einem Wirkungsgrad von fast 100 Prozent. Und dieser Speicher lässt sich direkt und kostengünstig im Kraftwerk integrieren. Bei Biomasse herrscht in Europa die Meinung vor, dass die stoffliche Nutzung und die Veredelung zu Biotreibstoffen zu bevorzugen sind, und dass nur der verbleibende Überschuss verfeuert werden sollte, weil der Rohstoff zu wertvoll ist.

Adiabate Druckluftspeicherung: Energie wird als Wärme in Sand eingespeichert und als Druckluft in einen flexiblen Balg am Meeresgrund gepresst. Vorteil ist ein stabiler Gegendruck durch das Wasser - © TU Wien

Ebenso werden flexible und regelbare Stromnetzkonzepte nötig sein, wobei Speicher und intelligente Netzinfrastruktur (sog. Smart Grids) im Vergleich zur aktuellen Infrastruktur ein höheres Gewicht haben werden. Im Gebäudebereich gibt es hinsichtlich CO2 -Ausstoß her noch mehr Verbesserungspotenzial als bei der Stromerzeugung und in der Industrie. Auf diese beiden Sektoren ist man vielleicht zu sehr konzentriert. Das größte Potenzial liegt aber in den Bereichen Wohnen und Verkehr, die in Summe zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs ausmachen.

Ist auch die Photovoltaik eine ökologisch sinnvolle Technik, wenn man den Errichtungsaufwand solcher Anlagen mit berücksichtigt?

Ja. Auch wenn die Herstellung Energie benötigt, so liefert die Zelle über die Lebensdauer gerechnet ein Vielfaches davon zurück. Der Vorteil der Photovoltaik liegt darin, dass vor allem in sonnenreichen Ländern sehr regelmäßig zu Mittag die Erzeugungsspitze erreicht wird. Darauf kann man sich gut einstellen. Solange die Photovoltaik nur einen geringen Anteil an der Energieproduktion hat, kann man die Erzeugungsspitzen im Netz auffangen, da mittags meist auch der Stromverbrauch höher ist.

Wenn man mit PV eine Versorgungssicherheit erreichen will, braucht es einen Speicher. Im Unterschied zu Windstrom wird zufolge der Regelmäßigkeit des PV-Stroms auch die Konzeption von Speichersystemen einfacher. Wir haben zum Beispiel fertige Konzepte für schwimmende Plattformen mit Photovoltaik und adiabater Druckluftspeicherung entwickelt. Das könnte man auf Inseln wie Malta oder Zypern umsetzen und so die Meeresoberfläche zur Stromerzeugung nutzen. Derzeit sieht es sogar so aus, als könnte man das ohne Subvention zu den aktuell am Markt vorherrschenden Strompreisen verwirklichen.

Was halten Sie von der am „ITER" (International Thermonuclear Experimental Reactor) beforschten Technologie der Kernfusion? Entfallen dabei die Risiken und Abfallproblematiken der klassischen Kernkraft und könnte dies künftig einen Beitrag zur klimaneutralen Energieproduktion leisten?

Das ist eine faszinierende Technologie. Das Abfall- und Unfallproblem der Kernspaltung sehe ich bei der Fusion nicht. Eine Kernfusion kann nach meinem Wissensstand auch nicht aus dem Ruder geraten – im Gegenteil: Es ist extrem schwierig, die Fusion länger als ein paar Sekunden am Laufen zu halten. Und auch wenn die Technologie noch weit von der Marktreife entfernt ist, macht es auf jeden Fall Sinn in diese Entwicklung zu investieren!

Wie zufrieden sind Sie mit der Finanzierung der Grundlagenforschung in Österreich allgemein und Ihrem Institut im Besonderen?

Auch wenn wir an unserem Institut dank des Idealismus und des hohen Einsatzes aller Kolleginnen und Kollegen noch halbwegs über die Runden kommen, so ist die finanzielle Gesamtsituation doch eher prekär. Vor allem, was die Grundfinanzierung der Universitäten betrifft. Wenn ich in Richtung unserer deutschsprachigen Nachbarländer blicke, so bekomme ich den Eindruck, dass dort bei vergleichbarem Wohlstand wesentlich mehr für Universitäten und Forschung getan wird.

Mit unserem Grundbudget schaffen wir mit Müh und Not die Lehre. Was uns in Österreich rettet, ist die Förderungslandschaft für angewandte Forschung. Die Finanzierungen sind aber aus Sicht der Universitäten wiederum äußerst knapp. Aufgrund des problematischen Finanzumfeldes müssen wir einen massiven und nach meiner Einschätzung überhöhten Vertriebsaufwand erbringen, obwohl es eigentlich kein Budget dafür gibt. Wir hetzen von Ausschreibung zu Ausschreibung und von Verhandlung zu Verhandlung.

Ein strukturiertes Forschen stelle ich mir anders vor. Meine Antwort bezieht sich aber ausschließlich auf die Finanzsituation. Glücklicherweise macht die Arbeit dank der hochmotivierten Studierenden und Kollegen und der faszinierenden Aufgaben trotzdem Spaß. Vielen

Dank für das Gespräch.