Interview mit dem GFT-Management : „Kuchen statt Krümel“

Elektropraxis@Punktum: Der GFT-Start in Österreich erfolgte unter erschwerten Bedingungen in der Pandemie. Was hat sich seither getan, Herr Rappan?

Günter Rappan:
Durch die Pandemie wurden persönliche Treffen erschwert. Das macht es natürlich nicht leichter, wenn man mit einem komplexen Geschäftsmodell startet, in dem Vertrauen und persönliches Miteinander eine große Rolle spielen.

Im ersten Halbjahr haben wir uns darauf konzentriert, die Rahmenverträge mit den Lieferanten anzupassen. Marktbearbeitung, Preise und Lieferkonditionen sind in Österreich und Deutschland ja jeweils unterschiedlich. Da der durchschnittliche Betrieb in Österreich kleiner ist als jener in Deutschland haben wir auch die Bonuszielvereinbarungen entsprechend angepasst.

Wie sieht es mit neuen Lieferant*innen und vor allem mit ersten Mitgliedern aus?


Rappan:
Wir konnten bereits neue Hersteller*innen und Distributeure dazugewinnen. Zum Teil sind diese auch für Deutschland interessant, das heißt, auch die deutschen Mitglieder bzw. Genossenschafter*innen haben einen Mehrwert durch die GFT-Präsenz in Österreich. Im zweiten Halbjahr haben außerdem die ersten drei Mitglieder hierzulande unterschrieben.

Derzeit führe ich Gespräche mit weiteren Interessenten. In den nächsten Monaten wird es somit voraussichtlich Neuigkeiten zu berichten geben. Ziel sind zehn bis 20 Mitglieder in den kommenden zwei Jahren.

Günter Rappan
Günter Rappan ist Ansprechpartner für heimische Mitglieder und Betreuer vor Ort. - © GFT

Was war und ist für die Neuzugänge die Hauptmotivation für einen Beitritt?

Rappan: Das ist unterschiedlich. Vielfach stehen Dienstleistungen wie Zentralfakturierung, Artikelstammdaten-Management und Delkredere im Fokus, also alles, was Prozesse erleichtert, im Tagesgeschäft Zeit spart und den Aufbau eigenen Personals für administrative Aufgaben vermeiden hilft. Daneben ist natürlich auch die finanzielle Komponente von Interesse – von besseren Konditionen bis zu Bonusprogrammen.

Stefan Touchard: Wenn ich hier einhaken darf: Die GFT fordert für ihre Leistungen kein Geld von ihren Mitgliedern, sondern durch unsere Ausschüttungen sorgen wir im Gegenteil ganz im Sinne des genossenschaftlichen Förderauftrages für einen Geldsegen. Wir lesen durch gemeinsames Handeln jene Krümel auf, die bei Geschäftsprozessen durch Größenvorteile abfallen, und backen daraus einen neuen Kuchen.

Unser letzter Betriebsvergleich für 2020 beinhaltete 60 Jahresabschlüsse von Mitgliedern, die in Summe ein Außenumsatzvolumen von 1,35 Milliarden Euro repräsentieren. Unsere Ausschüttungen machten bei diesen Mitgliedern laut Vergleich zwischen zwölf und 15 Prozent des Betriebsergebnisses aus. Das sind dann doch mehr als Krümel!

Vorstandsmitglied Stefan Touchard freut sich über Mitgliederzuwächse – in Deutschland und jenseits der Grenzen.

- © GFT

Wie unterscheidet sich der österreichische vom deutschen Markt, wenn man von der durchschnittlichen Unternehmensgröße absieht?

Rudolf H. Saken:
In Deutschland sind wir stark im ITK- und Systemhausbereich. In Österreich steht die Sicherheitstechnik stärker im Fokus. In allen diesen Bereichen bieten wir einen großen Lieferant*innenpool. Knapp zwei Drittel der für uns relevanten Systemhäuser in Deutschland arbeiten daher bereits mit GFT zusammen. Im Vorjahr sind abermals 14 neue Mitglieder mit einem Außenumsatzvolumen von rund 100 Millionen Euro dazugekommen.

Aus Anlass von 50 Jahren GFT lädt Vorstandssprecher Rudolf H. Saken zur Jubiläumsfeier in Berlin.

- © GFT

Österreich war das erste Land für die GFT nach Deutschland. Die Niederlande und Belgien sollen folgen. Was ist der Grund für die Expansion?

Saken:
Zum einen bringen wir unseren Mitgliedern echten Mehrwert. In all diesen Ländern gibt es nichts, das der GFT als genossenschaftlichem Dienstleistungsverbund mittelständischer Unternehmen im Bereich der ITK-, Sicherheits-, Medien- und passiven Netzwerktechnik vergleichbar wäre. Zum anderen sind auch unsere Lieferantenpartner*innen zu einem großen Teil europäisch aufgestellt, auch diese profitieren somit von unserem Wachstum.

Seit Jahresbeginn sind wir am niederländischen Markt aktiv. Wir haben die Lieferantenverträge angepasst, eine niederländische Website erstellt und Übersetzungen von Aufnahmeunterlagen, Imagebroschüre und dergleichen vorgenommen. Wir wachsen auf allen Feldern – in Österreich und Holland genauso wie am Heimatmarkt.

Wie hat sich das Geschäft in Deutschland zuletzt entwickelt?


Touchard:
Die ersten drei Vorjahresquartale liefen sehr gut. Das für uns besonders wichtige vierte Quartal, in dem häufig Wartungs- und Serviceverträge verlängert sowie Neuabschlüsse getätigt werden, war weniger erfreulich. Äußere Ereignisse wie die Sperre des Suezkanals haben sich auf die Lieferkette ausgewirkt. Halbleiter, Chips, aber auch Kunststoff sind nach wie vor Mangelware. Wir sehen allerdings schon im Jänner Nachholeffekte, sodass wir auch für 2022 von einem insgesamt guten Jahr ausgehen.

Insgesamt kamen wir im Vorjahr auf einen Umsatz von 129,7 Millionen Euro, was einem Minus von zwei Prozent entspricht. Die an unsere Mitglieder ausgeschütteten Erträge blieben dennoch auf dem Niveau von 2020, als sie mit plus 30 Prozent bereits überdurchschnittlich gestiegen sind.

Was sind die Ihre Pläne für 2022?


Saken:
Von 28. bis 29. April findet zunächst unsere traditionelle Frühjahrstagung samt Generalversammlung statt, diesmal in Münster. Im Herbst steigt dann eine große Jubiläumsparty in Berlin. Die ursprünglich als „Gemeinschaft Fernmelde-Technik“ gegründete GFT wird 50 Jahre jung – das ist für uns sowie für unsere Genossenschafter*innen und Partner*innen ein Grund zum Feiern!