Studie : Kraftakt: Der Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 geht sich aus

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Das österreichische Regierungsprogramm sieht bis 2030 einen massiven Zubau an erneuerbaren Kraftwerken vor: In weniger als neun Jahren soll die erzeugte Strommenge um das eineinhalbfache gesteigert werden. Dafür muss eine Vielzahl neuer Wasserkraftwerke, Windräder und Photovoltaik-Anlagen (PV) entstehen. Gelingt dieser Ausbau, so könnte sich Österreich über das Jahr betrachtet vollständig durch Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen.

Nun beleuchtet erstmals eine Studie die Rolle der E-Wirtschaft bei diesem Ausbau. Im Rahmen einer internen Erhebung von Oesterreichs Energie haben 24 Projektbetreiber insgesamt 220 Vorhaben eingemeldet. Diese Projekte stellen mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 28 Mrd. Euro ein Kernstück der Energiewende da – und sie sind bis 2030 realisierbar. Vorausgesetzt es können in einer Reihe von Handlungsfeldern günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden.

„Am klarsten ist das Bild bei der Wasserkraft“, erklärt Oesterreichs Energie Präsident Michael Strugl im Rahmen eines Pressegesprächs. „Hier haben unsere Mitgliedsunternehmen – über alle Planungsstadien hinweg – derzeit ein Projektvolumen von 4,7 TWh in Arbeit und kommen damit dem Ausbauziel von 5 TWh diesem bereits sehr nahe.“ Ein Grund für die große Zahl der bekannten Wasserkraftprojekte sind die langen Projektlaufzeiten in diesem Bereich – und damit verbunden – die langen Planungshorizonte. Dass sich in den Bereichen Windenergie und PV deutlich weniger Anlagen in Bau befinden, liegt aber weniger am Projektvolumen, sondern vor allem an den deutlich schnelleren Projekten. „Während große Wasserkraftprojekte auch ein Jahrzehnt brauchen können, bewegen wir uns auch bei größeren PV-Anlagen oft im Bereich von Monaten“, sagt Strugl.

Michael Strugl Österreichs Energie
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Derzeit sind 220 Ausbauprojekte mit einem Volumen von knapp der Hälfte der benötigten 27 zusätzlichen TWh angemeldet.

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Halbes Projektvolumen bei Windkraft

Insgesamt ergibt sich aber auch in den Bereichen Windenergie und PV ein stimmiges Bild. Bei der Windkraft liegen derzeit 4,4 TWh (Terawattstunden) als Projekte vor – und damit etwa die Hälfte des im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz definierten Ziels von 10 TWh. „Unsere Unternehmen decken bei Windenergie die Hälfe des Marktes – und analog dazu – auch die Hälfte des erforderlichen Ausbaupensums ab. Wir können also auch hier einen wesentlichen Beitrag leisten“, so Strugl. „Wir gehen aber davon aus, dass wir bei dieser Technologie – aufgrund deutlich kürzerer Projektlaufzeiten und neuen Flächen, die wohl noch ausgewiesen werden – derzeit noch nicht das gesamte Projektvolumen kennen.“

Steiles Wachstum bei PV


Eine ähnliche Situation gibt es im PV-Bereich – hier liegen derzeit bei den Mitgliedsunternehmen Projekte im Ausmaß von 2,9 TWh vor, insgesamt ist bei PV ein Zuwachs von 11 TWh vorgesehen. „Diese vergleichsweise niedrige Zahl hat mehrere Gründe: Einerseits findet hier ein großer Teil des Ausbaus außerhalb unserer Unternehmen statt – man denke nur an die vielen privaten Anlagen auf Einfamilienhäusern, die derzeit entstehen, andererseits ist aufgrund der hohen Umsetzungsgeschwindigkeit in diesem Bereich ein großer Teil der Projekte heute noch gar nicht bekannt“, sagt Strugl. „Wenn wir allerdings die Zuwachsrate in diesem Bereich betrachten, sehen wir die absoluten Zahlen gelassen. Bereits im Vorjahr hat sich der Zubau auf 740 MW pro Jahr verdoppelt, für das laufende Jahr gehen wir von einer weiteren deutlichen Steigerung aus.“

Die Ausbaupläne der Erneuerbaren: Besonders bei Photovoltaik dominiert noch die Konzeptphase. Rasche Umsetzung ist daher gefordert.

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28 Mrd. Euro Investitionsvolumen

„Dennoch – der Zeitplan zur Zielerreichung ist ambitioniert und lässt keinen Spielraum für Experimente“, erklärt Strugl. „Insgesamt müssen wir in den kommenden Jahren 27 TWh an zusätzlicher Erzeugung auf den Boden bringen – das letzte Mal haben wir für einen derartigen Ausbau gut 30 Jahre gebraucht. Dieses Projekt kann also nur gelingen, wenn es gelingt in allen relevanten Bereichen günstig Rahmenbedingungen zu schaffen oder zu erhalten.“ Die E-Wirtschaft schätzt, dass allein für die Realisierung der nun erfassten Projekte Investitionen im Umfang von 28 Mrd. Euro notwendig sein werden. 16 Mrd. davon werden in den Ausbau von Erzeugungskapazitäten fließen, 12 Mrd. Euro in die Steigerung der Flexibilität.


Österreichs Energie schätzt das erforderliche Investitionsvolumen auf 28 Mrd. Euro, wenn die Ziele bis 2030 erreicht werden sollen.

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Speicherausbau schafft Flexibilität

„Bei allem Enthusiasmus für den Erneuerbaren-Ausbau wird oft übersehen, dass es bei der Energiewende nicht nur um mehr Strom geht – wir müssen auch in der Lage sein, den Strom zu speichern und kurzfristig wieder abzurufen. Nur so können wir die Versorgungssicherheit weiter garantieren“, erklärt Strugl. Insgesamt wird im Bereich Wasserkraft eine Leistungssteigerung um 7 GW angestrebt – 6 GW davon sind flexibilitätssteigernde Projekte im Bereich Speicher- und Pumpspeicher.

"Bei allem Enthusiasmus wird oft übersehen, dass wir auch in der Lage sein müssen, den Strom zu speichern."
Michael Strugl, Österreichs Energie

Jedem zweiten geht Ausbau zu langsam

Aus Sicht der Branche sehr erfreulich ist, dass sich im Zuge einer im April 2022 mit dem Gallup Institut durchgeführten österreichweit repräsentativen Umfrage ein klarer Trend hin zu mehr öffentlicher Akzeptanz abzeichnet. „Sowohl beim Erneuerbaren-Ausbau als auch beim Ausbau der Netze sehen wir derzeit eine klare Bewusstseinsbildung und mit Zuwächsen von mehr als 10 Prozent deutlich wachsende Zustimmungswerte. Das gilt für alle Erzeugungstechnogien, wobei die Zustimmung bei PV derzeit am höchsten ist, dicht gefolgt von der Wasserkraft“, sagt Generalsekretärin von Oesterreichs Energie Barbara Schmidt. „Mit der Geschwindigkeit des Ausbaus ist aber ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher derzeit unzufrieden. Laut unserer Umfrage würde sich hier ein Anteil von 46 Prozent ein höheres Tempo wünschen.“

Handlungsfelder und Forderungen

Um den Ausbau in den kommenden Jahren bestmöglich zu unterstützen, hat die E-Wirtschaft eine Reihe von Themenfeldern und Forderungen definiert, in denen sie dringenden Handlungsbedarf sieht. Die Palette reicht dabei von der ausreichenden Verfügbarkeit geeigneter Flächen und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bis hin zur Sicherung der Investitionssicherheit der Branche und dem raschen Ausbau der Netzinfrastruktur. Zudem gewinnen im Hinblick aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen die Themen Arbeits- und Fachkräftemangel sowie die Absicherung internationaler Lieferketten bei Komponenten und Rohstoffen an Bedeutung.

„Die E-Wirtschaft ist bereit und in der Lage ihren Beitrag zum Erneuerbaren-Ausbau zu leisten. Wir dürfen uns von diesen grundsätzlich erfreulichen Zahlen jedoch nicht täuschen lassen. Damit der Erneuerbaren-Ausbau in Österreich ein Erfolgsprojekt wird, brauchen wir einen nationalen Kraftakt, bei dem alle Räder nahtlos ineinandergreifen müssen. Von den internationalen Lieferketten bis hin zum Bürgermeister vor Ort“, so Strugl abschließend.