Energie : Mit voller Energie gegen den Blackout

Leube-Vorstand Rudolf Zrost, Bundesministerin Klaudia Tanner, Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der Austrian Power Grid und Peter Koren von der Industriellenvereinigung (von links nach rechts).
© leisure communications/Christian Jobst

Vor knapp einem Jahr kamen die europäischen Stromnetze an die Grenze ihrer Belastbarkeit und der Kontinent stand kurz vor dem Blackout. Seither beschäftigen sich Politik und Wirtschaft intensiv mit dem drohenden Ausfall der Energieversorgung, der weitreichende Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft hätte. Auf Einladung der Industriellenvereinigung und des Bundesministeriums für Landesverteidigung diskutierten Experten und Entscheidungsträger über alle Branchengrenzen hinweg, wie sich Österreich am besten vorbereiten kann. Trotz der hohen Versorgungsqualität hierzulande ist ein Schulterschluss aller Akteure essenziell, da die Herausforderung eines Blackouts ebenso verzweigt und vernetzt ist wie die Energieversorgung selbst. Unüberhörbar ist der Appell an die Politik, eine realistische Dekarbonisierungsstrategie umzusetzen und Risiken in der Energieversorgung zu minieren.

„Der Blackout betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft. Deswegen muss das Thema in allen Facetten beleuchtet werden, um bestmöglich für den Fall der Fälle gerüstet zu sein“, leitet Peter Koren von der Industriellenvereinigung in den Blackout-Gipfel der Industriellenvereinigung ein. Österreich zählt heute zu den Ländern mit einer der sichersten Stromversorgungen, ist jedoch vor globalen Gefährdungen nicht gefeit. Bereits jetzt muss nahezu täglich in die Stromversorgung eingegriffen werden, um das System stabil am Laufen zu halten. Die Klimaneutralität ist ein massives Infrastrukturprojekt, das laut Regierungsprogramm bis 2030 glücken soll. Als Flaschenhals bei der Umstellung auf die klimafreundliche Energiegewinnung erweisen sich Genehmigungsverfahren.

„Die erneuerbaren Energien alleine können das System heute noch nicht stabilisieren“

Von einem „schmalen Grat zwischen Versorgungssicherheit und Blackout“ spricht Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der Austrian Power Grid. Das Zusammenspiel der europäischen Stromversorger mit ihren Notfallmechanismen vergleicht er mit einer Alpin-Seilschaft: Die großen Kapazitätsreserven der Vergangenheit sind nahezu aufgebraucht, wodurch die Netze am Limit betrieben werden. Im europäischen System müssten demnach kostspielige Maßnahmen ergriffen werden, um Auslastungsspitzen abzufedern und somit die sichere Stromversorgung zu gewährleisten. „Der Wert einer gesicherten Stromversorgung ist vielen nicht bewusst. Sie sichert den Zugang zu medizinischer Versorgung, Wissen, Kommunikation und betrifft alle Lebensbereiche einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft“, betont Christiner.

Am Stromsystem sind heute zahlreiche Akteure mit ausgeprägten unterschiedlichen Interessen aktiv. Versorgungssicherheit bedarf einer intensiven Zusammenarbeit aller Akteure des Strom- und Wirtschaftssystems mit den Netzbetreibern. Durch die Ökologisierung, Dezentralisierung sowie Demokratisierung des Systems betreten zahlreiche neue Marktteilnehmer das Feld. „Die erneuerbaren Energien alleine können das System heute noch nicht stabilisieren“, warnt Christiner. Er ergänzt: „Die Dekarbonisierung erfordert zusätzliche Kapazitäten in allen Bereichen des Systems – von der Produktion, über die Strominfrastruktur bis hin zu den Speichern und Reserven – sowie einen komplett neuen gesamtsystemischen Ansatz!“ Der Austrian-Power-Grid-Vorstand fordert ein Neudenken der Risikomatrix, eine langfristige Gesamtstrategie unter Einbeziehung aller Akteure, raschere Genehmigungsverfahren sowie die Nutzung aller Potentiale der Digitalisierung um die Energieversorgung zukunftsfit zu machen.

Diversität in der Energieerzeugung reduziert Blackout-Risiko

Auch bei Siemens Österreich bereitet man sich auf ein geregeltes Herunterfahren im Falle eines Blackouts vor. Aus der Pandemie lernend, reduziert der Konzern seine Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten. Eine betriebseigene Stromversorgung überbrückt die Stromausfälle in den ersten Stunden. „Diversität in der Energieproduktion reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts“, ist Siemens-Österreich-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Hesoun überzeugt. Er misst der Prävention hohen Stellenwert bei und spricht sich dafür aus, möglichst viele Formen der Energiegewinnung zu kombinieren, und nicht einzelne Technologien auszuschließen.