Energiewende : Eine Milliarde für den Gas-Ausstieg

DI Mag. Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung und DI Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie vor Photovoltaik-Paneelen.

DI Mag. Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung und DI Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie (v.l.n.r.)

- © Wien Energie/Stefan Joham

Wien Energie will in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in den Gas-Ausstieg investieren. Mit massiven Investitionen in Geothermie, Großwärmepumpen und den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft will der Energiedienstleister die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern Schritt für Schritt beenden. „Wien Energie wird in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro für den Gas-Ausstieg aufwenden. Wir bauen das Wiener Energiesystem komplett um: Jeder Euro, den wir heute in die Hand nehmen, bringt den Wiener*innen langfristig Unabhängigkeit, Klimaschutz und Preisstabilität“, sagt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung anlässlich der Jahresbilanz 2021, die unter dem Eindruck aktueller energiewirtschaftlicher und geopolitischer Entwicklungen stand.

DI Mag. Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung
Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung - © Wien Energie/Martina Draper

Schwierige wirtschaftliche Situation

Erste Anzeichen des schwierigen Umfelds zeigen sich bereits in der Bilanz des letzten Geschäftsjahres. Bei einem Rückgang von mehr als 60 Prozent erreichte Wien Energie 2021 ein Ergebnis von 140 Mio. Euro. Auch das operative Ergebnis (EBIT) liegt mit 159 Mio. Euro weit hinter dem Vorjahr zurück. Maßgeblichen Einfluss hatte hier das vierte Quartal 2021. Die Umsatzerlöse stiegen hingegen – getrieben durch die Preisverwerfungen auf den internationalen Märkten – deutlich auf 3,04 Mrd. Euro an.

„Wir befinden uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Die Großhandelspreise sind in den letzten Monaten europaweit zu Höchstwerten gestiegen und eine Entspannung der Lage ist leider nicht in Sicht. Das trifft uns als Wien Energie massiv in der Beschaffung und Erzeugung. Es ist daher wichtig, dass wir besonders umsichtig wirtschaften. Oberste Priorität hat die Versorgungssicherheit, aber wir brauchen auch Stabilität, um die Zukunftsinvestitionen stemmen zu können“, so Strebl. Insgesamt will Wien Energie bis 2027 1,29 Mrd. Euro investieren. Davon gehen 625 Mio. Euro in Wärme-Projekte, 334 Mio. Euro in den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung, 90 Mio. in umweltfreundliche Kälteversorgung, 160 Mio. Euro in Digitalisierung, Elektromobilität und Telekommunikation sowie weitere 90 Mio. Euro in Versorgungssicherheit.

Photovoltaik-Erzeugung stark wachsend

Dass sich diese Investitionen auszahlen, zeigt sich auch immer stärker in der Erzeugung. 2021 produzierte Wien Energie mit rund 1.260 Gigawattstunden so viel erneuerbaren Strom wie noch nie. Umgerechnet entspricht das dem Bedarf von 630.000 Wiener Haushalten. Den größten Anstieg konnte Wien Energie bei der Sonnenenergie verzeichnen: Die Stromproduktion aus Photovoltaik wurde um fast 150 Prozent auf mehr als 77 Gigawattstunden gesteigert. Im vergangenen Jahr errichtete Wien Energie mehr als 60 Solarkraftwerke und nahm mit der Schafflerhofstraße im Frühjahr 2021 die mit 11,45 Megawatt Leistung größte Photovoltaik-Anlage Österreichs in Betrieb. Wien Energie steht nun bei mehr als 320 Solarkraftwerken mit über 85 Megawatt Leistung und bleibt weiterhin Österreichs größter Solarstromerzeuger.

Auch bei der Windkraft hat das Unternehmen mit dem Kauf der Windparks „Pongratzer Kogel“, „Herrenstein“ und „Zagersdorf“ die Leistung um gut 19 Megawatt ausgebaut. Anfang diesen Jahres fiel der Startschuss für einen zusätzlichen Windpark in Trumau. „Besonders in der Photovoltaik liegt für Wien Energie großes Potential. Insgesamt haben wir derzeit rund 400 Projekte mit mehr als 600 Megawatt Leistung in der näheren Analyse. Das reicht von kleinen Dach-Anlagen in der Stadt bis zu großen 10-Megawatt-Projekten im Versorgungsgebiet. Etwa 20 Projekte befinden sich aktuell in Bau“, erläutert Karl Gruber, Wien Energie-Geschäftsführer. Im Lauf des Jahres will Wien Energie jedenfalls die 100-Megawatt-Grenze an installierter PV-Leistung sowie 200 Megawatt bei der Windkraft knacken.

Ohne Fachkräfte keine Energiewende

Eine der größten Herausforderungen am Weg zur Klimaneutralität sind die personellen Ressourcen. Aktuell steht das Unternehmen bei 2.179 Mitarbeiter*innen (Vollzeitäquivalenten). In den nächsten zehn Jahren wird bei Wien Energie fast die Hälfte der Belegschaft in Pension gehen. „Wir werden in Zukunft verstärkt Fachkräfte suchen: vom Photovoltaik-Entwickler bis zur Kraftwerksmeisterin, vom Wärmeanlagen-Techniker bis zur Mechatronikerin. Mehr als 200 Green Jobs warten auf kompetente und engagierte Menschen, die den Klimaschutz mit uns vorantreiben wollen. Wir setzen deshalb auch stark auf Ausbildungsprogramme im Unternehmen und errichten aktuell ein neues Lehrlingszentrum in der Donaustadt“, so Gruber.

Gefragt sind die neuen Köpfe auch für die Forschung. Wien Energie ist hier insbesondere im Bereich Wasserstoff aktiv. Mitte 2022 soll der Baustart für die erste Elektrolyse-Anlage fallen, ebenfalls im Sommer wird die Turbine des Kraftwerks Donaustadt für einen Betriebsversuch mit Wasserstoff umgerüstet. Geforscht wird zudem an grünen Gasen und Wertstoffen aus Müll und an Speichertechnologien.

DI Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie
Karl Gruber, Wien Energie-Geschäftsführer - © Wien Energie/Stefan Joham

Politische Rahmenbedingungen nötig

Damit Klimaneutralität 2040 erreicht werden kann, fordert Wien Energie Tempo bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen wie dem Erneuerbaren Wärme-Gesetz und Beschleunigung der UVP-Verfahren. „Wir sind bereit, wir haben einen Plan. Um noch schneller zu sein, brauchen wir aber auch die richtigen Rahmenbedingungen und die Akzeptanz der Bevölkerung für diese große Transformation. Wenn wir von der Einreichung bis zum Baubeginn eines Windparks weiterhin zehn Jahre brauchen, werden wir den Systemwechsel nicht schaffen“, betont Strebl abschließend.