Hannes Androsch im Interview : „Mehr Tempo im Leitungsbau“
Elektropraxis: Gestern Abend fand der traditionsreiche Kirtag in Altaussee statt, an dem Sie als Wahl-Altausseer teilgenommen haben – so wie Bundeskanzler Karl Nehammer. Wie glücklich sind Sie mit der aktuellen Bundespolitik?
Dr. Hannes Androsch: Es herrscht Überinflation. Die Wirtschaft befindet sich im Abschwung und zugleich haben wir Personalnot in allen Bereichen des Arbeitslebens. Damit kann man nicht zufrieden sein.
Von Abschwung ist bei EUROPTEN nichts zu bemerken. 2006 sind Sie ins Unternehmen eingestiegen. Wie hat es sich seitdem entwickelt?
Androsch: 2006 lagen wir bei einem Umsatz von 30 Millionen Euro, 2015 bei von 50 Millionen. Bis heute hat sich der Umsatz auf 200 Millionen vervielfacht. Der Mitarbeitendenstand ist in dieser Zeit von 230 auf 700 gestiegen.
Rund 45 Prozent des Geschäfts entfallen auf den Fahrleitungsbau, 55 Prozent auf den Freileitungsbau. In beiden Bereichen sind wir der heimische Marktführer und beide haben definitiv Zukunft.
Hier geht’s zur Anmeldung
Wir müssen technologieoffen sein.
Zukunftspläne von EUROPTEN
Wie sieht die Zukunft von EUROPTEN aus?
Androsch: Unser Ziel sind 400 Millionen Euro Umsatz. Der Personalstand wird voraussichtlich auf rund 1.000 Mitarbeitende anwachsen. Zuletzt konnten wir mehrere Großaufträge in Deutschland gewinnen. So erhielten wir vom Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW den Zuschlag für ein 96-Millionen-Euro-Projekt für eine 380/220-kV-Hochspannungsfreileitung. Unser Dienstleistungsangebot erweitern wir laufend. Im Fahrleitungsbau bieten wir alles an, von den Fundamenten bis zur fertigen Fahrleitung. Bei Bedarf übernimmt EUROPTEN auch Projektmanagement und -planung für die Kunden. Denn je besser vorbereitet ein Projekt ist, umso rascher erfolgt die Umsetzung.
Unser Gespräch findet im steirischen Deutschlandsberg statt, wo EUROPTEN soeben die Oberleitungsmontage für die Graz-Köflacher Bahn GmbH pünktlich abschließen konnte …
Androsch: Wir haben den Zeitplan nicht nur eingehalten, sondern sind diesem sogar voraus. Als EUROPTEN leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Modernisierung des öffentlichen Verkehrsnetzes. Die Weststeiermark zählt 60.000 Einwohner*innen. 15.000 davon pendeln täglich nach Graz. Um das Angebot im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu verbessern, braucht es auch die notwendige Infrastruktur bzw. Fahrleitung.
Wir benötigen rund 1.000 Kilometer zusätzliche Leitungskapazität in Österreich, dazu Transformatoren und Umspannwerke. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, wird das Jahrhunderte dauern.
Infrastruktur: Mehr und schneller
Wie ist aus Ihrer Sicht die Lage im Freileitungsbau? Sind wir schnell genug bei der Schaffung der Infrastruktur für die Energiewende?
Androsch: Die Salzburgleitung, mit 128 Kilometern Länge, ist bald fertig gestellt. Der Zeitraum zwischen der Einreichung und der Inbetriebnahme beträgt mehr als ein Vierteljahrhundert. Wir benötigen rund 1.000 Kilometer zusätzliche Leitungskapazität in Österreich, dazu Transformatoren und Umspannwerke. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, wird das Jahrhunderte dauern. Derzeit basieren noch 60 Prozent unseres Energieverbrauchs auf fossilen Energieträgern. Wenn wir unser Energiesystem auf erneuerbare Energien umstellen und den Klimaschutz vorantreiben wollen, benötigen wir auch Speicherlösungen für Strom aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Und Technologien, um CO2 einzufangen, zu speichern und zu remineralisieren. Letzteres erprobt RHI zurzeit gemeinsam mit einem australischen Startup. Wir müssen technologieoffen sein.
Gibt es Vorbilder in Europa, die aus Ihrer Sicht ihre Hausaufgaben gemacht haben?
Androsch: Die sehe ich vor allem in den Niederlanden, Skandinavien und der Schweiz. Der Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid ist in Österreich doppelt so hoch wie in der Schweiz - und das, obwohl unser Pkw-Bestand im Schnitt jünger ist als jener unseres Nachbarlandes. Warum? Weil die Schweizer über ein gut ausgebautes Schienennetzwerk verfügen. Im Bereich des öffentlichen Verkehrs wurde bei uns in der Vergangenheit unendlich viel versäumt. Mit einer Tattoo-Aktion für das Gratis-Klimaticket wird man das nicht aufholen können. Was wir brauchen, sind nicht Vorschriften, Verbote und Gebote, sondern konkrete Umsetzungen. Gemeinsam mit der GKB durften wir ein in dieser Hinsicht richtungsweisendes Projekt umsetzen.