Budgetsanierung : Eigentor für die Energiewende?

Wenige Tage nach ihrer Angelobung hat die neue Bundesregierung am 7. März die vorzeitige Abschaffung der Mehrwertsteuer-Befreiung für PV-Kleinanlagen und den Energiekrisenbeitrag-Strom beschlossen. Oder wie Photovoltaic Austria es bezeichnet: „Einen Fehlstart in der Energiepolitik hingelegt, der seinesgleichen sucht". Der Bundesverband kritisiert diese Entscheidungen scharf und weist auf Gesetze wie das E-Wirtschaftsgesetz (ElWG) oder das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) hin, die in der vorhergehenden Legislaturperiode nicht beschlossen wurden.
„Statt die immense Bedeutung heimischer, erneuerbarer Energien für eine leistbare Energieversorgung zu erkennen und diese durch moderne Rahmengesetze zu stärken, schwächt die neue Bundesregierung mit ihren kurzsichtigen Beschlüssen lieber den bereits strauchelnden Wirtschaftsstandort Österreich", moniert Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria. Dass weitreichende Maßnahmen in einem "intransparenten Schnellverfahren durchgepeitscht werden", sieht sie als fatales Signal.
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Wir brauchen keine überstürzten Experimente, sondern einen verlässlichen, langfristigen Plan, um die Energiepreise zu senken.Vera Immitzer, PV Austria
2024 eingeführt, wird die Mehrwertsteuer-Befreiung für PV-Anlagen bis 35 kWp mit 31. März vorzeitig abgeschafft. PV-Anlagen, für die bis einschließlich 6. März ein Vertrag abgeschlossen wurde oder die bis 31. März fertig installiert werden, können die MwSt.-Befreiung noch nutzen. Für Anlagen, bei denen weder der Vertragsabschluss noch die Fertiginstallation in diesen Zeitraum fällt, gilt der Regelsteuersatz von 20 Prozent – alternativ kann die demnächst startende Investitionsförderung der OeMAG beantragt werden.
Von den erhofften Budgeteinnahmen von 175 Millionen Euro können damit etwa 40 Millionen Euro tatsächlich lukriert werden, schätzt PV Austria – und diese auch nur, wenn trotz Wiedereinführung der 20-prozentigen Mehrwertsteuer der PV-Ausbau im Kleinanlagensegment uneingeschränkt weitergeht. Davon sei gemäß jüngster Mitglieder-Befragung von PV Austria jedoch nicht auszugehen. 90 Prozent der befragten PV-Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Nachfrage, sobald die Mehrwertsteuer-Befreiung fällt. „Tausende Kund*innen sowie PV-Unternehmen werden im Stich gelassen für Nichts“, schlussfolgert Immitzer. PV Austria appelliert daher an die neue Bundesregierung, die EAG- Investitionsförderung für PV- und Stromspeicheranlagen in Bälde zu starten.

Verlängerter Energiekrisenbeitrag-Strom
Auch zur Verlängerung des Energiekrisenbeitrag-Strom (EKB-S), der Ende 2022 als Reaktion auf die stark gestiegenen Strompreise eingeführt wurde, äußerte sich der Branchenverband: Die Produktion von heimischem, erneuerbaren Strom werde so „künstlich verteuert".
⇨ Die Verlängerung des EKB-S bedeutet für Anlagen, die vor dem 1. April 2025 in Betrieb genommen wurden, dass Markterlöse (Überschusserlöse), die über 90 Euro je Megawattstunde liegen, zu 95 Prozent abgeschöpft werden. Für Anlagen, die ab 1. April in Betrieb genommen werden, gilt eine Schwelle von 100 Euro je Megawattstunde. Gelten soll die Maßnahme für fünf Jahre bis 1. April 2030. Einsparungen von 200 Millionen Euro sollen so generiert werden und zur Budgetsanierung beitragen.
Der Dachverband Erneuerbare Energien Österreich (EEÖ) sieht die Wirtschaftlichkeit der heimischen Stromerzeugungsanlagen dadurch gefährdet. „Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Budgetsanierung müssen wir eindringlich darauf hinweisen, dass mit dieser drastischen Maßnahme das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird! Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo dringende Investitionen in die heimische Energieproduktion absolut nötig sind, wird unverhältnismäßig in die Wirtschaftlichkeit von Erzeugungsanlagen und marktwirtschaftliche Mechanismen eingegriffen“, kritisiert Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ.
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Florian Maringer, Geschäftsführer der IG Windkraft, sieht durch die Regelung etwa Energiegemeinschaften und Industrieversorgung als schlechter gestellt. „Die Haushaltsstrompreise selbst sind abhängig von den Preisen der Leipziger Strombörse - für diese ist die heimische Erzeugung irrelevant. Der Preis für Haushalte und Wirtschaft wird damit nicht billiger. Die Maßnahme erdrosselt im Gegenzug aber die heimische Stromerzeugung - besonders von erneuerbaren Energien. So wird eine Budgetstrategie zur Stromimportstrategie.“ Auch Oesterreichs Energie, die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, sieht diese Maßnahme kritisch, findet aber auch Positives: Investitionen in Erneuerbare können im Ausmaß von 75 Prozent der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten als Absetzbetrag berücksichtigt werden.