Energieverteilung : „Das Stromsystem der Zukunft braucht intelligente Netze"
Mit der Energiewende verändert sich auch die Rolle der Verteilernetze. Sie werden zur Datendrehscheibe und bilden neben dem Übertragungsnetz das Rückgrat des Stromsystems. Dafür müssen die Energienetze digital aufgerüstet werden. „Das Stromsystem der Zukunft braucht intelligente Netze, sie sind der Schlüssel zur Energiewende“, erklärt der Geschäftsführer von Netz Niederösterreich, Werner Hengst, anlässlich des Energiepolitischen Hintergrundgesprächs des Forums Versorgungssicherheit im Juni.
Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, verweist auf die wachsende Zahl an Aufgaben für die Verteilernetze: „Sie müssen im Stromsystem der Gegenwart und der Zukunft komplexe Vorgänge managen. Sie müssen große Mengen an Daten verarbeiten und auswerten, damit die Vorteile der Energiewende bei den Verbraucher*innen ankommen.“
Volatile Energiequellen treffen auf Prosument*innen
Die Digitalisierung der Netze wird durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren vorangetrieben, führt Hengst aus: Zum einen unterliegen Wind- und Sonnenstrom großen natürlichen Schwankungen, die durch das Netz ausgeglichen werden müssen. Zum anderen wird das Stromsystem durch die Energiewende dezentral. An die Stelle einiger weniger Großkraftwerke tritt eine Vielzahl von kleineren und mittleren Erzeugern. Dazu kommt, dass die Grenzen zwischen Erzeugen und Verbrauchen zunehmend verschwimmt, weil immer mehr Haushalte eigene Photovoltaik-Anlagen haben und – je nach Bedarf – entweder Strom ins Netz einspeisen oder aber Strom aus dem Netz beziehen. Durch Energiegemeinschaften kommen neue Herausforderungen dazu.
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„Es wird immer mehr darauf ankommen, den Verbrauch intelligent zu steuern, sodass Lastspitzen vermieden werden können."
Werner Hengst, Geschäftsführer von Netz Niederösterreich
Virtuelle Kraftwerke für Schwankungen im Netz
Basis für die digitalen Netze der Zukunft bilden Smart Meter, die intelligenten Stromzähler, die in den letzten Jahren in ganz Österreich anstelle der alten analogen Stromzähler eingebaut wurden oder noch eingebaut werden. Die Stromkund*innen können, wenn sie das wünschen, diese Daten nutzen, um ihren Stromverbrauch kostenoptimiert zu steuern. Digital aufgerüstete Netze ermöglichen außerdem die Bildung von sogenannten virtuellen Kraftwerken. Viele kleine Erzeuger können durch die Netzbetreiber so zusammengeschaltet werden, dass sie wie ein großes Kraftwerk agieren. Das heißt, dass dieser Schwarm an Erzeugern auf Schwankungen im Netz so reagieren kann, als würde ein Großkraftwerk zu- oder abgeschaltet.
Neue Aufgaben für Verteilernetze
Durch die Digitalisierung können die Netze auch neue Aufgaben übernehmen, die das Stromsystem insgesamt effizienter machen. Dazu gehört etwa das Verbrauchs-Management, wie Hengst ausführt: „Wenn die Konsument*innen dem Netzbetreiber die Möglichkeit geben, die Stromzufuhr zu regulieren, zum Beispiel beim längeren Aufladen eines E-Mobils oder beim Optimieren der Warmwasseraufbereitung, dann werden Spitzenbelastungen vermieden, ein zusätzlicher Netzausbau wird erst später nötig, was insgesamt die Stromkosten senkt.“ Darüber hinaus könnten die Netze entlastet und Kapazitäten freigemacht werden, wenn die Netzbetreiber in erhöhtem Ausmaß das Recht erhalten, Lastspitzen bei PV-Anlagen abzuregeln, argumentiert das Forum Versorgungssicherheit.
Die Praxis zeigt: Leistungsspitzen werden nur selten erreicht: Im Bereich von 75 – 100 Prozent der Leistung liegen nur 3 – 5 Prozent der erzeugten Jahresmenge.Werner Hengst, Geschäftsführer von Netz Niederösterreich
Die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist bekanntlich hohen Schwankungen ausgesetzt. Eine dynamische Leistungsregelung würde dafür sorgen, dass die Netze nicht mehr die Maximalkapazität in Höhe der selten auftretenden besonders hohen Leistungsspitzen vorhalten müssen. Gerade bei der anhaltend starken Nachfrage nach PV-Einspeisung wäre dies eine Maßnahme, um viele PV-Anlagen schnell ans bestehende Netz anschließen zu können, so das Forum.
Ruf nach dynamischen Netztarifen
Hengst erneuert abschließend die Forderung der Verteilernetzbetreiber nach dynamischen Netztarifen. Jener Teil des Strompreises, der nicht vom Verbrauch abhängt, sondern für die Belastung des Netzes eingehoben wird, sollte demnach je nach maximaler Leistung gestaffelt werden. Verbraucher*innen, die hohe Leistungen benötigen, weil sie zum Beispiel ihr E-Fahrzeug schnell laden wollen, würden so für die Netzbeanspruchung entsprechend mehr zahlen.
Davon würde ein Anreiz zu netzschonendem Verbrauchsverhalten ausgehen, es wäre ein Schritt in Richtung Verursachergerechtigkeit und erspart zudem einen vorzeitigen Netzausbau.Werner Hengst, Geschäftsführer von Netz Niederösterreich
Gut zu wissen
Das Forum Versorgungssicherheit ist die gemeinsame Plattform von fünf Verteilernetzbetreibern: Wiener Netze, Netz Niederösterreich, Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich.