OGH Urteil zu Netzzutrittsentgelt bei PV : Oberster Gerichtshof: Doppelte Gebühren für PV-Netzanschluss unzulässig
„Wird an einen bestehenden Netzanschluss, der bereits zum Strombezug benutzt wurde, erstmals eine Stromerzeugungsanlage angeschlossen, die in der bestehenden Anschlusskapazität Deckung findet, fällt dafür kein Netzzutrittsentgelt an", schreibt der Oberste Gerichtshof zu einem aktuellen Urteil.
Im Detail geht es darin um einen Rechtsstreit zwischen dem Flughafen Schwechat und dem Verteilernetzbetreiber Wiener Netze. Nachdem der Flughafen auf seinem Betriebsgelände zwei PV-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 16.000 kW an einen bestehenden – bisher nur für den Strombezug verwendeten – Netzanschluss angeschlossen hatte, folgte eine Forderung des Netzbetreibers für die Zahlung eines Netzzutrittsentgelts. Laut Berichten von der Standard handelte es sich dabei um Zahlungen in der Höhe von über 1 Mio. Euro.
Eine Klage der Wiener Netze scheiterte bereits an den beiden Vorinstanzen, nun bestätigte auch der OGH diese Entscheidungen: Zwar würden durch die Einspeisung elektrischer Energie in der Regel auch zusätzliche Kosten auf (mehreren) Netzebenen entstehen – insbesondere zur Schaffung der Netzkapazitäten für den zusätzlich eingespeisten Strom – der Gesetzgeber habe sich aber dafür entschieden, dass diese Kosten nicht (anteilig) von den jeweiligen Stromeinspeisern getragen werden sollen, sondern – über das Netzbereitstellungsentgelt und das Netznutzungsentgelt – von den Stromentnehmer*innen. Daran habe sich auch durch das Gesetzespaket zum Ausbau erneuerbarer Energie nichts geändert, wie der OGH informiert. Diese Entscheidung hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf weitere Netzteilnehmer.
Wird an einen bestehenden Netzanschluss, der bereits zum Strombezug benutzt wurde, erstmals eine Stromerzeugungsanlage angeschlossen, die in der bestehenden Anschlusskapazität Deckung findet, fällt dafür kein Netzzutrittsentgelt an.OGH
Aktion "Rückforderung Netzzutrittsentgelt" von PV Austria
Betroffen vom Urteil sind Betreiber von PV-Anlagen zur Einspeisung (ab 20 kW), die seit Inkrafttreten des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes bereits doppelte Netzzutrittskosten bezahlt haben. Der Branchenverband Photovoltaic Austria spricht von mehr als 10.000 betroffenen Anlagenbetreiber*innen und hat bereits eine Informationsoffensive gestartet, um PV-Anlagenbetreiber*innen bei der Rückforderung von zu viel bezahltem Netzzutrittsentgelt zu unterstützen. Mittels Kontaktformular ist es möglich, rechtliche Unterstützung von drei ausgewählten Kanzleien einzuholen, um das Netzzutrittsentgelt zurückzufordern. Je nach Anlagen- und Bezugsleistung seien Rückzahlungsbeträge bis zu 1 Mio. Euro möglich, so PV Austria.
Ausschlaggebend für die Höhe der Rückzahlung von falsch verrechnetem Netzzutrittsentgelt ist dabei die Bezugsleistung am Anschlusspunkt. Diese wurde bei der Ermittlung der Anschlusskosten durch den Netzbetreiber meist nicht abgezogen und ist daher wahrscheinlich vom Netzbetreiber zurückzuzahlen. Der Rückzahlbetrag ergibt sich aus der Bezugsleistung multipliziert mit dem gesetzlichen Netzzutrittsentgelt, das je nach Anlage zwischen 10 und 70 €/kW beträgt:
Maximaler Rückzahlungsbetrag = Bezugsleistung * Pauschale
⇨ Gut zu wissen: Zudem hat sich PV Austria mit Österreichs Energie, der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, eine Einigung für einen Verjährungsverzicht erzielt. Dadurch ist es möglich, zu viel bezahltes Netzzutrittsentgelt auch nach drei Jahren zurückzufordern.
Oesterreichs Energie: Start der Rückzahlungen noch 2024
Mit Oesterreichs Energie haben sich die österreichischen Netzbetreiber inzwischen zum OGH-Urteil gemeldet, man akzeptiere das Urteil und werde die entsprechenden Beträge umgehend rückerstatten. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits. Die Netzbetreiber gehen davon aus, dass mit den Rückzahlungen noch 2024 begonnen werden kann. Eine Kontaktaufnahme mit dem Netzbetreiber seitens der Kund*innen ist für die Erstattung nicht erforderlich. Im Zuge einer Kulanzregelung seitens der Netzbetreiber seien auch Fälle anspruchsberechtigt, in denen bereits eine Verjährung eingetreten ist.