EVU : Energiewende in Zeitlupe?

Windräder vor einem Getreidfeld und blauem Himmel.

In den kommenden Jahren benötigt Österreich alleine 700 zusätzliche Windkraftanlagen. Die Netzinfrastruktur muss da mithalten.

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„Ohne Netzumbau scheitert die Energiewende“,
Brigitte Ederer

Mit dem bestehenden Netz sei die Umstellung auf erneuerbare, CO2-freie Energie nicht zu schaffen, so die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, dem die Wiener Netze, Netz Niederösterreich, Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich angehören. In den vergangenen Jahren konnte das Netz, das ursprünglich für einen hierarchischen Stromtransport von großen Kraftwerken zu den Verbraucher*innen geplant war, den Zubau noch verkraften. Die aus der #mission2030 resultierende anstehende Transformation braucht aber ganz andere Ausbauziele: „Österreich benötigt zwei Millionen zusätzliche Photovoltaikanlagen. Häuser ohne PV-Module auf dem Dach werden künftig die Ausnahme sein“, ist Netz-Oberösterreich-Geschäftsführer Manfred Hofer überzeugt. Zusätzlich müssten zu den bestehenden 700 Windkraftanlagen rund 1.200 neue dazukommen.

Das Stromnetz der Zukunft muss in der Lage sein, große Mengen an Strom kurzfristig aufzunehmen, abzugeben und zu verschieben, denn – so Ederer – „für die Vielzahl an neuen, dezentralen, sauberen und klimaschonenden Einspeiseanlagen ist das heutige Stromnetz nicht ausgelegt“. Dafür müssten nun die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Darunter klare Vorrangregeln für die Schutzziele. Hofer: „Der Klimaschutz muss oberste Priorität haben, sonst werden Grundsatzentscheidungen jedes Mal im Genehmigungsverfahren über Jahre hinweg diskutiert.“

Freileitung oder Erdkabel?

Ein Beispiel dafür ist die immer wieder aufflammende Diskussion rund um Freileitung und Erdkabel. Aus Sicht der Netzbetreiber*innen ist ein Mix aus Freileitungen im Höchst- und Hochspannungsnetz und Erdkabeln im Mittel- und Niederspannungsnetz die sinnvollste Variante im Sinne der Versorgungssicherheit. Von den 265.000 Kilometern an Stromleitungen in Österreich sind 73 Prozent als Erdkabel ausgeführt. Bei der Stromverteilung von den Umspannwerken zu den Trafostationen und von dort zu den Häusern und Betrieben liegt der Erdkabelanteil bei 66 bzw. 83 Prozent. Bei der Übertragung im Hoch- und Höchstspannungsnetz bei sieben bzw. einem Prozent.

Viel Zeit ist nicht, um die Klimaschutzziele umzusetzen. Um die Geschwindigkeit beim Netzaus- und -umbau zu erhöhen, bräuchte es gesetzliche Rahmenbedingungen für effiziente und straffe Verfahren. Als Beispiel nennt Hofer die 45-kV-Genehmigungsfreistellung aus dem Starkstromwegerecht: Derzeit muss für den Bau jeder neuen Trafostation sowie für deren Erneuerung, Ersatz oder Ausbau ein Energierechtsverfahren durchgeführt werden. Jedes Jahr werden so rund 60 Trafostationen neu gebaut und in Summe fast 200 Genehmigungsverfahren durchgeführt.

18 Milliarden stehen bereit

Die Verteilernetzbetreiber*innen sind jedenfalls bereit, bis 2030 groß zu investieren: In Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und dem Burgenland stehen Investitionen von 5,9 Milliarden Euro an – für den Ausbau der Stromleitungen für Transport und Verteilung (Hoch-, Mittel- und Niederspannung) sowie der Infrastruktur (Umspannwerke, Trafostationen). Rund eine Milliarde Euro wird zusätzlich in die Modernisierung der Zähler-Infrastruktur gesteckt. Auf der österreichweiten Transportebene bringt der Übertragungsnetzbetreiber weitere 3,5 Milliarden Euro bis 2030 auf. Der Gesamtaufwand der Netzbetreiber summiert sich in diesem Zeitraum auf 18 Milliarden Euro, so das Ergebnis einer Studie, die im Auftrag von Oesterreichs Energie durchgeführt wurde.

Zum Baustart des Pumpspeicherkraftwerks Limberg 3 sprachen Verbund-Aufsichtsratsvorsitzender Martin Ohneberg, Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Moderatorin Carina Schwab und Verbund-CEO Michael Strugl über die Energiezukunft.

- © Verbund

Der Verbund leistet seinen Beitrag

Um die Energiewende auf den Weg zu bringen, braucht es nicht nur erneuerbare Stromerzeugung und einen Netzausbau. Es braucht auch Speichermöglichkeiten als Ausgleich für die künftig volatilere Stromproduktion. Ein wichtiges Projekt ist in dieser Hinsicht das Pumpspeicherkraftwerk Limberg 3, dessen Baustart im Herbst des Vorjahres in Kaprun gefeiert wurde.

„Kaprun ist eine der tragenden Säulen der österreichischen Stromversorgung“, meint dazu der Verbund-Vorstandsvorsitzende Michael Strugl. „Die 480-Millionen-Euro-Investition in das Pumpspeicherkraftwerk macht sie noch stabiler.“ Die Leistung liegt bei 480 Megawatt. So wie Limberg 2, das 2011 in Betrieb genommen wurde, wird Limberg 3 vollkommen unterirdisch zwischen den beiden bestehenden Speicherseen errichtet, die gemeinsam ein Fassungsvermögen von 160 Millionen Kubikmeter aufweisen.

Blick auf die Speicherseen in Kaprun.
Für das neue Projekt nutzt der Verbund die bestehenden Speicherseen in Kaprun. - © Verbund

Nach der Fertigstellung 2025 kann Limberg 3 mit den beiden jeweils 240 MW starken Pumpturbinen einen wichtigen Beitrag zur Blackout-Vorsorge leisten. „Mit der zusätzlichen Leistung können beispielsweise bis zu 100 neue Windräder oder 100.000 Haus-PV-Anlagen in Sekundenschnelle ersetzt oder unterstützt werden“, erläutert Karl Heinz Gruber, Geschäftsführer der Verbund Hydro Power GmbH. „Mit in Summe 1.100 MW wird Kaprun eine unverzichtbare Powerbank für die saubere Stromversorgung in Österreich.“

Das Projekt ist ganz auf die Energiewende zugeschnitten. Mit variablen, drehzahlgeregelten Pumpturbinen kommen Maschinensätze zum Einsatz, die flexibel auf den Bedarf an Ausgleichs- und Regelenergie im Netz reagieren können. Geplant ist darüber hinaus, das Stauziel des Speichers Wasserfallboden um acht Meter anzuheben, um zusätzliche Speicherkapazität bereitstellen zu können. Für den Klimawandel braucht es auch einen Bewusstseinswandel in der öffentlichen Meinung, mahnt Strugl ein: „Weg vom Klima des Verhinderns, hin zu einem Klima des Ermöglichens! Die unsichtbare, spurlose Energiewende wird es nicht geben, wenn wir die heimische erneuerbare Erzeugung für die Zielerreichung bis 2030 um 27 Milliarden Kilowattstunden ausbauen müssen.“