Netzausbau in Österreich : Lange Leitungen: Die Dringlichkeit des Netzausbaus

Netzausbau
© APG

Die größte Bedeutung für den Photovoltaik-Ausbau hat die Niederspannungsebene der Stromnetze. Hier hakt es im Moment gewaltig: „Seitens der PV-Branche laufen wir wie die Windhunde, gerade in den vergangenen zwei Jahren wurde enorm viel zugebaut“, so Christoph Panhuber, Product Development Manager bei SKE und Vorstandsmitglied des Branchenverbands Photovoltaic Austria.

Dem stünde das übervorsichtige Vorgehen der Netzbetreiber gegenüber: „Anfragen zum Netzzugang werden zwar inzwischen im Normalfall binnen Wochen beantwortet. Eine Einspeisebegrenzung – zum Beispiel auf 4 kW – ist allerdings Standard und auch Nulleinspeisungsbescheide sind keine Seltenheit mehr.“ Klar ist: „Gegen die Physik gewinnt keiner.“ Dass es bezüglich der Netzkapazitäten tatsächlich so im Argen liegt, wie derartige Bescheide glauben machen könnten, bezweifelt Panhuber aber. „Das bestehende Netz muss einfach besser – nämlich flexibel – ausgenutzt werden.“
PVA-Vorstandsmitglied Christoph Panhuber: „Das bestehende Netz muss besser ausgenutzt werden.“
PVA-Vorstandsmitglied Christoph Panhuber: „Das bestehende Netz muss besser ausgenutzt werden.“ - © SKE
>> Immer up to date mit Meinungen und News aus der Branche sein? Abonnieren Sie unseren Newsletter – mit uns bleiben Sie informiert!
Hier geht’s zur Anmeldung


Um Lastspitzen zu minimieren, gab es in Deutschland die auch als „70-Prozent-Regelung“ bezeichnete Wirkleistungsbegrenzung. PV-Anlagen mit einer Leistung bis 25 kW wurden – sofern sie nicht mit einer Steuerungseinrichtung ausgestattet waren – auf 70 Prozent der möglichen Spitzenleistung gedrosselt. Mit der letzten Änderung des Energiesicherungsgesetzes im September des Vorjahres wurde diese Begrenzung wieder aufgehoben. Panhuber sieht darin einen gangbaren Weg, wenn im Gegenzug mehr Flexibilität bei normalen Netzverhältnissen eingeräumt würde: Die Jahreserzeugung einer PV-Anlage würde damit gerade einmal um drei bis fünf Prozent verringert.

Wir brauchen einen Plan, wo welche PV-Kapazitäten noch Platz haben.
Christoph Panhuber, SKE

P(U)-Regelung statt Null-Einspeisung

Noch weniger ginge mittels P(U)-Regelung verloren, wie sie dem PVA-Vorstand vorschwebt – konkret: zwischen zwei und drei Prozent. Worum geht es? Die P(U)-Regelung ist ein Sicherheitsventil im Wechselrichter. Damit wird automatisch sichergestellt, dass die Einspeiseanlage mit der jeweils noch möglichen Leistung einspeisen kann, ohne die Spannung unzulässig zu erhöhen. Wechselrichter auf der TOR-Erzeuger-Liste bieten diese Funktion, die sich sofort umsetzen lassen würde (TOR = Technische und organisatorische Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen).

Panhuber plädiert dafür, die Leistung ab 247 Volt linear zu reduzieren und bei 252 Volt abzuregeln. „In der Schweiz gibt es bereits Pilotversuche dazu. Wir könnten uns ebenfalls vorstellen, einen Testlauf mit einem Messprogramm zu begleiten.“ Begleitend bräuchte es rechtliche Weichenstellungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG). Grundsätzlich sind Netzbetreiber ja zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung und Abwicklung der Netzdienstleistung verpflichtet. Die Nutzung der P(U)-Funktion zur Lastspitzenvermeidung könnte jedoch dazu führen, dass PV-Anlagen, die vom Trafo weiter entfernt sind, öfter als andere abgeregelt würden.

Im Gegenzug für das Entgegenkommen der PV-Branche fordert der PVA-Interessenvertreter mehr Transparenz hinsichtlich der regional zur Verfügung stehenden Kapazitäten sowie einen belastbaren Zeitplan bei notwendigen Netzausbauten. „Die Netzbetreiber müssen klar angeben, an welchem Ortsnetztrafo welche PV-Kapazitäten Platz haben. Manche arbeiten an solchen Systemen bereits im Hintergrund.“

Auf Basis 2020 steigt die installierte Leistung innerhalb von 20 Jahren um 180 Prozent – den Löwenanteil machen Sonnen-, Wind- und Wasserkraft aus.
Auf Basis 2020 steigt die installierte Leistung innerhalb von 20 Jahren um 180 Prozent – den Löwenanteil machen Sonnen-, Wind- und Wasserkraft aus. - © Oesterreichs Energie; Quelle: E-Control, EAG, OE, PwC
Einer unserer Kunden baut 200 Trafostationen im Jahr, nun sollen es 800 werden.
Georg Kastenberger, Ensto Röhrbacher

Hoflieferant der Netzbetreiber

Es geht also noch etwas, auch ohne Ausbau. Gleichwohl ist der Netzausbau auf allen Übertragungsebenen eine dringende Notwendigkeit. Viel tut sich im Mittelspannungsbereich, weiß Ensto-Röhrbacher-Geschäftsführer Georg Kastenberger zu berichten. Sein Unternehmen beliefert viele der rund 150 österreichischen Netzbetreiber.

„Ein Beispiel: Einer der größten heimischen Netzbetreiber, der von uns beliefert wird, ertüchtigt bzw. baut jährlich um die 200 Trafostationen. Diese Zahl soll sich auf 800 im Jahr vervielfachen.“ Ensto Röhrbacher wächst mit den Kunden – für Österreich bedeutete das 2023 ein Umsatzplus von 30 Prozent.

Durch die Lieferprobleme der jüngeren Vergangenheit gibt es eine Rückbesinnung auf europäische Lieferanten. Kastenberger: „Die Belieferung aus dem Ensto-Hauptlager in Estland erfolgt binnen einer Woche. Auch der Warenwert unseres Pufferlagers in Österreich hat sich verdoppelt.“ Zu den Top-Produkten zählen Muffen und Endverschlüsse mit Kaltschrumpftechnik, Winkelstecker, Endverschlüsse für Kabel und Freileitungen sowie werkzeuglose Verbinder für Freileitungen.

Bei Bedarf entwickelt Ensto maßgeschneiderte Produkte mit und für Kunden. Durch Akquisitionen holt man sich zusätzliches Know-how ins Unternehmen. So wurde 2021 die Mehrheit an dem auf Schutzrelais und Schutzsysteme für Störlichtbögen bei Verteilnetzen spezialisierten Anbieter Arcteq erworben wie auch an der schwedischen Protrol (Energie- und Netzautomatisierungstechnik).

Ensto-Chef Georg Kastenberger: „Wir wachsen heuer um 30 Prozent.“
Ensto-Chef Georg Kastenberger: „Wir wachsen heuer um 30 Prozent.“ - © Ensto Röhrbacher

Die erneuerbare Stromproduktion ist in den Sommermonaten am höchsten. Um den künftigen Überschussstrom zum Pumpspeicher zu transportieren, braucht es das Höchstspannungsnetz.

- © ÖNIP
Redispatch-Maßnahmen verursachen Kosten von im Schnitt 10 Millionen Euro im Monat.
Christoph Schuh, APG

APG: Unter Hochspannung

Gewaltig ist der Investitionsbedarf in die Hochspannungsnetze – und er wird immer noch größer. 3,5 Mrd. Euro wollte Übertragungsnetzanbieter APG ursprünglich bis 2032 in den Aus- und Umbau der heimischen Strominfrastruktur stecken. Nach jüngsten Berechnungen geht man von 7 Mrd. Euro aus. Nicht zuletzt dürften die Kosten von Stahl und jene des Leitungsbaus empfindlich höher ausfallen.

Freilich verursachen auch verzögerte Genehmigungsprozesse hohen Kosten – ganz abgesehen davon, dass sich die Energiewende damit selbst ausbremst. Redispatch-Maßnahmen der APG, um den Stromfluss zu steuern und Überlastungen im Stromnetz zu verhindern, kosten im Monatsschnitt 10 Mio. Euro. „Ein leistungsstarkes Stromnetz mit ausreichenden Kapazitäten würde den Redispatch-Bedarf erheblich verringern“, erklärt APG-Unternehmenssprecher Christoph Schuh.

Letztlich brauche es beschleunigte Genehmigungsverfahren und eine Gesamtplanung zur Energiewende, die Produktions- und Speicherkapazitäten ebenso wie die Möglichkeiten der Digitalisierung miteinbezieht. Schuh: „Der jüngst erstellte, integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan ÖNIP ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber da fehlen noch Puzzleteile.“

Miteinzubeziehen ist auch die transnationale Ebene. Diesem Zweck dient der im Zwei-Jahres-Rhythmus aktualisierte Zehnjahres-Plan TYNDP (Ten Year Network Development Plan). Erstellt wird dieser von ENTSO-E, der zentralen Koordinierungsstelle für die Zusammenarbeit der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Im Vorstand der Organisation sitzt seit einigen Monaten der Leiter der APG-Steuerzentrale Tahir Kapetanovic, der damit bereits an der nächsten gesamteuropäischen Übersicht zu den Netzausbau-Projekten mitarbeitet.

APG-Sprecher Christoph Schuh: „Der integrierte Netzinfrastrukturplan ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber da fehlen noch Puzzleteile.“
APG-Sprecher Christoph Schuh: „Der integrierte Netzinfrastrukturplan ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber da fehlen noch Puzzleteile.“ - © Austrian Power Grid AG

Verbund investiert in Energiewende

Der Verbund hat die oberösterreichische Solarpower Holding zu 100 Prozent erworben. Zu dem Unternehmen mit Sitz in Feldkirchen an der Donau gehören die Tochtergesellschaften MSP Solarpower und iFIX-Solar. Erstere ist Komplettanbieter im Bereich der Photovoltaikanlagen von der kundenspezifischen Beratung, Planung und Montage bis hin zur Inbetriebnahme schlüsselfertigen Anlagen. Die iFIX-Solar GmbH wiederum verfügt als Großhändler über langfristige Beziehungen zu Herstellern von PV-Modulen, Wechselrichtern und Unterkonstruktionen.

„Für uns bedeutet das mehr Unabhängigkeit von der angespannten Marktsituation, wenn es um die Verfügbarkeit von Komponenten, aber auch von Fachkräften geht“, erklärt Martin Wagner, Geschäftsführer Verbund Energy4Business. Auch in die Wasserkraft wird investiert: Für das Kraftwerksprojekt Kaprun wurde jüngst die zweite „Turbinenschnecke“ angeliefert. Durch dieses 79 Tonnen schwere Rohrturbinenteil wird das Wasser in Zukunft zwischen den beiden Speichern Mooserboden und Wasserfallboden auf- oder abwärts geleitet. So kann je nach Bedarf entweder Strom erzeugt oder die Energie am höher gelegenen Mooserboden physikalisch gespeichert werden.

An der mittleren Salzach wird die Zusammenarbeit mit der Salzburg AG fortgesetzt: Im Frühsommer erfolgte der Spatenstich für das Wasserkraftwerk Stegenwald. Die Bauzeit ist mit zwei Jahren angesetzt. Das Kraftwerk, in das die beiden Unternehmen in Summe rund 100 Mio. Euro investieren, soll den jährlichen Strombedarf von 20.000 Haushalten decken (Jahreserzeugung: 72,8 Gigawattstunden). Zwei Turbinen ermöglichen eine Engpassleistung von 14,3 Megawatt.

Eine logistische Herausforderung war der Transport der Turbinenschnecke in die Kraftwerkskaverne von Limberg 3 in Kaprun.
Eine logistische Herausforderung war der Transport der Turbinenschnecke in die Kraftwerkskaverne von Limberg 3 in Kaprun. - © Verbund